1984, Version 2.0
Wer kennt sie nicht, George Orwells Dystopie „1984“? Bald ist sie Realität. Nachdem wir dank der (vermutlich EU-Recht widersprechenden) Voratsdatenspeicherung schon einen ersten Schritt in Richtung Überwachungsstaat gemacht haben, sollen bis 2019 beinahe alle Österreicher (vorgesehen ist eine Quote von 95%) mittels sogenannter Smart Meter vollständig in ihrem Privatleben überwacht werden – fehlt eigentlich nur noch die Videoüberwachung in Schlaf-, Wohn- und Badezimmer.
Datenschutz?
Während sich die Befürworter dieser neuen Stromverbrauchsüberwachungsgeräte (die die alten Stromverbrauchsmessgeräte ablösen) beeilen zu versichern, dass der Datenschutz gewahrt bliebe, glaube ich, dass wenn meine Stromverbrauchsdaten im Viertelstundentakt durch die Gegend gefunkt werden, der Datenschutz schon nicht mehr vorhanden ist – jede Datenübertragung kann in irgendeiner Form abgehört werden, denn absolute Sicherheit gibt es nicht. Was nützt es mir also, wenn mein Stromanbieter die Verbrauchsdaten (angeblich) nicht weitergibt? Nichts, denn die Daten bekommen diejenigen, die sie haben wollen, auch auf anderem Weg. In modernen Mehrfamilienhäusern muss dazu nicht einmal die Funkverbindung überwacht werden, denn wenn alle Stromzähler in einem zentralen Raum montiert sind, können jederzeit von allen, die Zugang zu ihrem eigenen Stromüberwacher haben, auch die Daten der anderen Bewohner mitgelesen werden.
Außerdem muss man sich fragen, wie diese Daten überhaupt erfasst und verarbeitet werden. Solange die Programme, die dafür benötigt werden, nicht unter einer freien Lizenz (zu bevorzugen wäre hier wohl (A)GPL 3.0) zur Verfügung stehen und von fähigen Programmierern untersucht wurden, ist der Datenschutz für mich unabhängig von allen anderen Problemen, die Smart Meter aufwerfen, als nicht eingehalten zu betrachten.
Zur Datenschutzproblematik des „Smart metering“ (wiedereinmal ein modernes Unwort!) finden sich im Internet mittlerweile einige Artikel [1,2,3], von denen man zumindest den einen oder anderen lesen sollte, um sich selbst ein Bild machen zu können. Ergänzungen zu der hier angeführten Literatur nehme ich natürlich gerne entgegen.
Preisersparnis?
In einem aktuellen Artikel auf derstandard.at [4] wird Walter Boltz von der E-Control mit den Satz zitiert, dass sich ein durchschnittlicher Haushalt bis zu 30 Euro im Jahr durch intelligente Stromüberwacher ersparen könne. Bei einem Zwei-Personen-Haushalt bekäme also jeder Bewohner jährlich 15 Euro als Entschädigung für den vollständigen Verlust seiner Privatsphäre. Google hat laut eines Futurezone-Artikels [5] sogar die Idee geboren, Nutzern Gratisstrom anzubieten, wenn diese im Gegenzug ihre Verbrauchsdaten an Google senden. Und dann wäre da auch noch der Staat, der z.B. in der Lage wäre, auf einfache Art und Weise zu überprüfen, ob ein angeblicher Hauptwohnsitz tatsächlich als solcher dient. Weitere Szenarien überlasse ich dann aber der Phantasie der Leser…
Pilotprojekt
Der Grund, warum ich mich gerade jetzt zu diesem Thema auslasse, soll hier auch genannt werden: Bei der Wien Energie Stromnetz GmbH startet morgen um 13:00 CET die Anmeldung zu einem Pilotprojekt, bei dem 3000 Wiener Haushalte mit einer der hier diskutierten neuartigen Totalüberwachungseinheiten ausgestattet werden sollen [6]. Die Teilnehmer müssen sich dabei nicht nur in einem Forum diskutieren, sondern z.B. auch an drei Online-Verhören teilnehmen. Sollte man als Teilnehmer nicht mit dem Gerät zufrieden sein, wird es nach Ende des Projekts aber sicherheitshalber nicht wieder abgebaut. Das nenne ich Kundennähe!
[1] http://www.zeit.de/digital/datenschutz/2009-09/uld-smartmeter-gutachten
[2] http://www.mksult.at/20110816SmartMeteringDatenschutzbeginntbeimMessgeraet
[3] https://www.unwatched.org/20120926SmartMeteringPlaeneschreitenvoranDatenschutzbleibtzurueck
[4] https://derstandard.at/1360681395482/Smart-Meter-E-Control-ueberprueft-Pilotprojekte
[5] http://futurezone.at/future/11484-smart-meter-gratis-strom-fuer-nutzerdaten.php
[6] http://www.wienenergie-stromnetz.at/eportal/ep/contentView.do/pageTypeId/44731/programId/61669/contentTypeId/1001/channelId/-44526/contentId/30711